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Martin Amanshauser's review of 'An Unfortunate Woman' and 'You Can't Catch Death' (German)
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Forellenfischen revisited: Zwei neue englischsprachige Publikationen von und zu Richard Brautigan

von Martin Amanshauser

Im deutschsprachigen Raum läuft Richard Brautigan (1935-1984) leider in der Kategorie Geheimtipp, obwohl sein Roman Trout Fishing in America (1967) weltweit eine Auflage von drei Millionen Exemplaren erreicht hat. Das Gesamtwerk des Autors, der sich 1984 in Bolinas? Kalifornien eine Kugel in den Kopf schoss, erschien in der ausgezeichneten Übersetzung von Günter Ohnemus? bei Eichhorn (TB Rowohlt).

Ianthe Brautigan, beim Selbstmord ihres Vaters 24 Jahre alt, hat sechzehn Jahre später bei St. Martin's Press in New York eine Biografie vorgelegt [You can't catch death] und gibt parallel dazu, und das ist fast eine Sensation, ein Manuskript aus dem Nachlass frei: An Unfortunate Woman, ein fiktionales Reisetagebuch, in dem sich ein letztes Mal die melancholische Schönheit der Prosa des späten Brautigan entfaltet.

Ausgehend von einem einzelnen Frauenschuh in Honolulu, reist der Ich-Erzähler auf der Suche nach "der Frau, die sich erhängt hat", durch das Amerika der frühen Achtziger. Wie üblich operiert der unfreiwillige Held einer europäischen Hippiegeneration schmerzhaft nahe am Hauptnervenstrang, selbst wenn er nur seinem Ärger angesichts eines Gipsbeins Ausdruck verleiht [auf die Frage nach den Umständen des Knochenbruchs antwortet er nur noch: "Dragon"]. Richard Brautigan schafft wundersame Sprachbilder, die einem den Atem nehmen — und schiebt seine eigene Depression nonchalant den Figuren in die Schuhe: die letzten Worte eines Mannes, der kurz danach verstummt ist.

Ianthe Brautigans Biografie verdient allerdings ebenso viel Beachtung. Das Buch der Tochter handelt von Richard Brautigans Selbstmord im Besonderen und von Selbstmord im Allgemeinen und ist nebenbei die bisher interessanteste Brautigan-Bio. Ein Fächer von schmerzhaft schönen Erinnerungen erweckt das Bild eines witzigen, warmherzigen Eigenbrötlers und einer eigensinnigen, starken Tochter. Auf einem Privatfoto (1962) hält der Autor, als magerer Blondschopf, die Zweijährige am Arm und blickt direkt in die Kamera — die Ehe mit Ianthes Mutter ist zu diesem Zeitpunkt schon in Auflösung begriffen. "Als Kind mochte ich es immer, dass mein Vater so leicht erkennbar war. Nie bestand ein Zweifel daran, dass er es war, so wie er groß und etwas gebückt dastand, mit seinem hellgelben Haar [...] und nicht in geringster Weise irgend jemandem in seiner Umgebung ähnelte." Anfang der Siebzigerjahre, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, erwirbt Richard Brautigan das zukünftige Selbstmord-Haus in Bolinas; Stars wie Peter Fonda? geben sich bei ihm die Klinke in die Hand. Ianthe lebt längst mit ihrer Mutter in Hawaii, fliegt aber zu Sommerurlauben nach Kalifornien ein. Sie ist bei ihrem Vater, als der Verkaufserfolg Willard and his Bowling Trophies (1975) als "schlechtestes Buch des Jahres" verrissen wird, begleitet ihn auf seinem Japantrip (Der Tokio-Montana Express, 1980) und erlebt schließlich, wie er die Beziehung zu seiner japanischen Ehefrau und langsam auch sich selbst zerstört.

Ianthe Brautigan hat kein Selbsthilfe- oder Therapiebuch über Selbstmord geschrieben. Sie nähert sich lediglich ihrem Lebensthema: Kann man einen Suizidgefährdeten von der drohenden Tat abbringen? You can't catch death ist ein spannender, an einigen Stellen auch etwas sentimentaler Bericht über zwei außergewöhnliche Menschen, es ist aber auch ein Zeugnis über den Kampf einer Frau gegen eine Schuld, die ihr der Vater post mortem zuschiebt. Biografie-untypisch und auf sehr erfrischende Art spart die Autorin das Unbegreifliche ebenso wenig aus wie das Kuriose. Ianthes Tochter Elisabeth (geboren 1985, im Jahr nach Richards Tod), erreicht bald die körperliche Größe, die nötig ist, um die Urne ihres Großvaters im Vorzimmerschrank zu entdecken. Man darf hoffen, dass Günter Ohnemus beide Bücher rasch ins Deutsche bringt.


Der Standard?
April 21, 2001: 7



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